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Fertigungsstandort
statt Fertig mit Standort.

Industrieland Baden-Württemberg

Deutschland ist ein Industrieland. Und was für die gesamte Republik gilt, gilt für Baden-Württemberg noch mehr: In keinem Flächenbundesland hat die Industrie ein solches Gewicht wie im Südwesten. Rund ein Drittel der gesamten Wertschöpfung des Landes wird hier erwirtschaftet. Rund Dreiviertel dieser Leistung geht dabei auf das Konto der M+E-Industrie. Jeder fünfte sozialversicherungspflichtige Beschäftigte arbeitet hier in einem Metall- und Elektrobetrieb. Sie ist damit die wichtigste Stütze für Beschäftigung, Export, Wachstum und Wohlstand im Land.

Die Erfolgsgeschichte der baden-württembergischen M+E-Industrie fußt vor allem auf dem Ideenreichtum und der Leistungsbereitschaft der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Hinzu kamen wettbewerbsfähige Rahmen- und Standortbedingungen wie gute Infrastrukturen oder ein leistungsfähiges Bildungs- bzw. Ausbildungssystem. In den letzten Jahren haben sich jedoch etliche Standort- und Rahmenbedingungen stetig verschlechtert. In vielen Bereichen trägt dabei die Politik die Verantwortung – nicht alleine die Landespolitik, sondern sogar größtenteils die Politik in Berlin und in Brüssel.

Herausforderungen in konjunkturell schwierigen Zeiten

Oliver Wirth (Geschäftsführer Bareiss)

Infrastrukturen

Lange galt die deutsche „Autobahn“ international als Inbegriff für eine gut ausgebaute und funktionierende Infrastruktur. Doch viele Straßen und Brücken in Deutschland sind mittlerweile in einem desolaten Zustand. Z.B. Schwertransporte müssen wegen baufälliger Brücken teils hunderte von Kilometern Umweg fahren, um ans Ziel zu gelangen. Eine aktuelle Studie kommt zu dem Ergebnis, dass alleine für den Erhalt und die Sanierung der kommunalen Verkehrswege bis 2030 mehr als 280 Milliarden Euro nötig sein werden.

Desolat ist auch der Zustand des Schienenverkehrs. Neue Negativrekorde bei der Unpünktlichkeit oder massive Ausfälle im Nahverkehr treffen vor allem Pendler und Fernreisende. Doch auch der Güterverkehr hat mit Streckensperrungen, Langsamfahrten aufgrund maroder Gleise oder fehlender Anbindung an wichtige internationale Transportstrecken, z.B. im Alpentransit, zu kämpfen.Bei den digitalen Infrastrukturen liegt Deutschland als führende Industrienation im internationalen Vergleich nur im Mittelfeld. Zwar verbessert sich die Anbindung an Breitbandinternet allmählich, auch die Funklöcher in den Mobilfunknetzen werden kleiner. Aber z.B. die öffentliche Verwaltung hinkt bei der Digitalisierung den selbstgesteckten Zielen weit hinterher. So sollten etwa bereits Ende 2022 insgesamt 575 öffentliche Serviceangebote online verfügbar sein. Anfang 2024 waren es aber flächendeckend gerade einmal 153.

Energieversorgung & -preise

Die Kosten für Energie waren in Deutschland im internationalen Vergleich schon immer vergleichsweise hoch – ein Faktor, auf den sich die hiesige Industrie langfristig einstellen musste, mit dem sie aber auch umzugehen wusste.

Aktuell zeigt der Trend aber noch stärker nach oben – auch aufgrund politischer Entscheidungen und Weichenstellungen im Zuge der Energiewende. Die deutschen Atomkraftwerke sind mittlerweile abgeschaltet. Der Kohleausstieg soll auf 2030 vorgezogen werden. Der Ausbau erneuerbarer Energien – politisch und gesellschaftlich gewollt – kommt jedoch nicht schnell genug voran, ebenso wie der Aufbau der benötigten Wasserstoffinfrastruktur. Dies führt in Summe dazu, dass das Energieangebot knapp bleibt, und damit die Preise hoch.

Herausforderungen für den Standort Deutschland

Dr. Joachim Schulz (Vorsitzender Südwestmetall)

Bildung und Ausbildung

Lange galt das deutsche Bildungswesen international als vorbildlich. Die Schulen waren leistungsfähig. Das System der dualen Berufsausbildung galt als klarer Vorteil im Wettbewerb.

Von der dualen Ausbildung profitiert Deutschland immer noch. Aber die schulischen Systeme sind ins Mittelmaß abgestürzt. Die Reformbemühungen nach dem ersten PISA-Schock vor gut 20 Jahren sind auf halber Strecke steckengeblieben. Nach den jüngsten Erhebungen fällt Deutschland im internationalen Vergleich zurück. Die Digitalisierung des Bildungswesens weist weiterhin Lücken auf, auch wenn die Corona-Pandemie hier einen Modernisierungsschub erzwungen hat.

Bürokratie & Verfahren

Der Abbau von Bürokratie und die Beschleunigung von Verwaltungs- und Genehmigungsverfahren fehlt zwar in keinem Parteiprogramm. Doch in der Realität tut sich wenig. Selbst wenn es hin und wieder gelingt, irgendwo überflüssige Paragraphen zu streichen, sorgen neue Gesetze, Vorschriften oder Berichtspflichten für neue bürokratische Belastungen für Bürger und Betriebe. Genehmigungsverfahren für große Projekte ziehen sich oftmals über Jahre hinweg. Dies bremst z.B. auch den dringend erforderlichen Ausbau einer neuen Energieinfrastruktur aus. Es schreckt allerdings auch Investoren aus dem In- und Ausland ab, hier am Standort zu investieren.

Steuern & Abgaben

Bei Unternehmenssteuern, einem wichtigen Faktor im Standortwettbewerb, lag Deutschland 2022 nach Berechnungen des ZEW Mannheim mit einer effektiven Steuerquote von 28,8 Prozent weit über dem EU-Durchschnitt von 18,8 Prozent – ein klarer Nachteil für Deutschland und Baden-Württemberg.

Auch bei den Sozialabgaben ist das Niveau in Deutschland hoch. Seit Anfang 2023 liegt der Anteil der Sozialversicherungsbeiträge wieder über 40 Prozent. Dies macht Arbeit am Standort Deutschland immer teurer. Doch obwohl die Sozialabgaben immer weiter steigen, sind die sozialen Sicherungssysteme in Deutschland keineswegs nachhaltig und demografiefest für die Zukunft finanziert. Im Gegenteil: Der Zuschussbedarf aus Steuermitteln wächst immer weiter. Mehr als ein Drittel des Bundeshaushaltes fließt inzwischen in den Bereich Soziales. Gut die Hälfte davon wird für die Rentenkasse benötigt.

Deutschland droht, seine Wettbewerbsfähigkeit im Bereich Steuern und Abgaben zu verlieren. Die letzte große Unternehmenssteuerreform liegt mehr als 15 Jahre zurück. Und der Sozialstaat lebt über seine Verhältnisse – zu Lasten aller anderen Zukunftsaufgaben. Der Reformbedarf ist enorm. Hier liegt die Verantwortung bei der Politik, sie muss dringend handeln, wie auch bei Infrastrukturen, im Bildungsbereich und beim Bürokratieabbau. Die Betriebsparteien können hier lediglich dafür sorgen, dass im Unternehmen keine weiteren, zusätzlichen Belastungen hinzukommen – indem sie ihre Prozesse und Kosten im Blick behalten.

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