Auch am Weltmarkt gilt:
Regional kostet mehr.
Globaler Wettbewerb & Kosten
Globale Krisen, Konflikte und Gewichtsverschiebungen haben in den letzten Jahren die baden-württembergische M+E-Industrie schwer belastet. Einige Vorgänge haben dabei auch zu dauerhaften oder zumindest längerfristigen Kostenbelastungen geführt, die die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Standorte verschlechtert haben – zusätzlich zu hausgemachten ungünstigen Kostenstrukturen.
Teure Energie
Ein enormer Kostendruck ist beim Thema Energie durch den Ukraine-Krieg und dem folgenden Boykott Russlands – bis dato ein sehr wichtiger Energie- und Rohstofflieferant – entstanden. Hinzu kommen politische Weichenstellungen im Zuge der Energiewende wie Atom- und Kohleausstieg, die für ein knapperes Angebot und damit höhere Preise sorgen. Deutschland ist von diesen Preissteigerungen weit mehr betroffen als viele andere Industrienationen und hat hier mittlerweile einen veritablen Wettbewerbsnachteil.
Gestörte Lieferketten
Zuvor sorgten schon Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung dafür, dass bis dato gut geölte Lieferketten ins Stottern gerieten. In der Folge kam es zu Engpässen bei Bauteilen, z.B. Halbleitern. Die Preise gingen zeitweise durch die Decke. Mittlerweile hat sich die Preissituation hier zwar wieder weitgehend beruhigt, die Kosten sind jedoch deutlich höher als noch vor der Corona-Pandemie. Dieses Schockerlebnis hat zudem die Verletzlichkeit der Wirtschaft und insbesondere der global aufgestellten Industrie offengelegt – insbesondere dort, wo zu einseitige Abhängigkeiten von einzelnen Ländern oder Lieferanten bestanden.
Politik und Unternehmen haben darauf reagiert und sich auf den Weg gemacht, Lieferketten zu diversifizieren, die Lieferantenbasis zu verbreitern oder die regionale Förderung von Rohstoffen bzw. die regionale Fertigung wichtiger Güter wie Chips zu forcieren. In der Regel führt dies aber auch zu tendenziell eher höheren, zusätzlichen Kosten – auch, weil gerade von Deutschland und Europa aus immer höhere Anforderungen an Lieferanten gestellt werden, bei Menschenrechten, Sozialem oder Umweltstandards. Auch die Finanzierung wird mehr und mehr von solchen Kriterien abhängig gemacht, was die Finanzierung für viele Unternehmen ebenfalls verteuert hat.
Herausforderungen durch Kosten
Hanno Höhn (Geschäftsführer MANN+HUMMEL Deutschland)
Globale Verschiebungen
Weitere Trends erschweren derzeit das internationale Geschäft. So schwindet die Dominanz der westlichen und demokratischen Industrienationen sichtlich. Heute lebt mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in autokratischen Systemen – und nicht in Demokratien. Neue Akteure, Länder und Regionen, gewinnen global politisch wie wirtschaftlich an Bedeutung – nicht nur China, auch andere aufstrebende Nationen wie z.B. Indien.
Nicht alle dieser neuen Schwergewichte spielen nach den Regeln und Werten demokratischer Staaten. Und ohne solche Rücksichtnahmen verschaffen sie sich oftmals leichter und günstiger Zugang zu Rohstoffen und Energie. Hinzu kommen vermehrt Handelskonflikte und protektionistische Tendenzen – lauter Faktoren, die die hiesigen Unternehmen belasten, oftmals für höhere Kosten sorgen und die Wettbewerbsfähigkeit in Frage stellen.
Hohe Arbeitskosten
Auch die Arbeitskosten müssen wettbewerbsfähig sein, um im globalen Konkurrenzkampf bestehen zu können. Hier liegt das deutsche Verarbeitende Gewerbe mit mehr als 51 Euro pro Arbeitsstunde (2023;) international jedoch ganz weit oben, knapp 20 Prozent über dem Durchschnitt der Euro-Länder. Nur in Staaten wie Norwegen oder Dänemark ist Arbeit noch teurer. Auch in Ländern wie den USA oder Japan sind die Arbeitskosten niedriger, gegenüber China beträgt der Abstand rund 35 Euro pro Stunde. In den osteuropäischen Staaten der EU, die bei Standortentscheidungen innerhalb Europas besonders hart mit deutschen Standorten konkurrieren, liegen die Arbeitskosten pro Stunde zwischen 10 und 20 Euro – und liegen damit um den Faktor drei bis fünf unter den Kosten in Deutschland.
Die Kosten in der M+E-Industrie liegen im Übrigen sogar noch über diesem Durchschnitt. Zudem gibt die Vergleichsgrafik nur ungefähr die internationalen Relationen wieder, weil insbesondere in Deutschland verschiedene Nebenfaktoren die Personalzusatzkosten weiter in die Höhe treiben. In Baden-Württemberg liegen die M+E-Entgelte dabei traditionell noch höher. Beschäftigte in tarifgebundenen Unternehmen verdienen hier durchschnittlich mittlerweile gut 81.000 Euro pro Jahr (Stand: 2024).
Problematisch ist hier auch die langfristige Entwicklung. So haben sich die Tarifentgelte in der baden-württembergischen M+E-Industrie seit dem Jahr 2000 bis einschließlich 2024 nahezu verdoppelt, während beispielsweise die Verbraucherpreise im selben Zeitraum um weniger als 60 Prozent gestiegen sind. Für die Beschäftigten bedeutet dies einen ordentlichen Zuwachs an realer Kaufkraft, für die Betriebe eine entsprechend höhere Kostenbelastung, die durch eine nicht mehr gestiegene Produktivität nicht ausgeglichen werden konnte. Diese Entwicklung hat auch dazu beigetragen, dass sich die Wettbewerbssituation der deutschen M+E-Standorte bei den Arbeitskosten in den letzten Jahren vor allem gegenüber anderen Standorten in Westeuropa verschlechtert hat.
Ein weiterer treibender Faktor bei den Arbeitskosten sind die steigenden Lohnnebenkosten, verursacht durch eine immer weiter ausgeweitete Sozialpolitik. So sind die Beiträge zu den Sozialversicherungen zuletzt wieder über die Marke von 40 Prozent der Bruttoentgelte gesprungen. Weil rund die Hälfte dieser Beiträge von den Arbeitgebern zusätzlich zu den Lohnkosten getragen werden, verteuert auch die Arbeit am Standort Deutschland und verschlechtert die Wettbewerbsfähigkeit
(siehe auch „Standortbedingungen“).