Den Ernst der Lage
beantwortet man nicht mit
überzogenen Forderungen.
Viele Unternehmen der baden-württembergischen M+E-Industrie sehen derzeit eigentlich keinen Spielraum für Lohnerhöhungen in der anstehenden Tarifrunde. Denn:
- Die konjunkturelle Lage in unserer Industrie ist ausgesprochen schlecht. Eine große Mehrheit der Firmen rechnet für dieses Jahr mit einem Minus bei Aufträgen, Produktion, Beschäftigung, Investitionen und Ertrag.
- Hinzu kommen schwierige politische Rahmenbedingungen (hohe Steuern und Abgaben, hohe Energiepreise, zu viel Bürokratie…) und die vielfältigen, großen Herausforderungen der Transformation.
- Die Unternehmen müssen jetzt in neue Technologien investieren, und das, ohne dass hieraus gleich zusätzliche Gewinne erwirtschaftet werden. Eine deutliche Erhöhung der Entgelte in der Tarifrunde würde es sehr vielen Firmen zusätzlich erschweren, diese Investitionen hier am Standort zu tätigen, hier Beschäftigung zu sichern.
- Was wir in einem Tarifabschluss auf jeden Fall benötigen, sind differenzierte Lösungen, die der sehr heterogenen, unterschiedlichen wirtschaftlichen Situation der Betriebe gerecht wird.
- Eine lange Laufzeit des Tarifvertrags würde den Unternehmen Planungssicherheit und Stabilität in einem äußerst volatilen Umfeld geben.
Herausforderungen in der aktuellen Tarifrunde
Martin Holder (Mitglied des Vorstands WAFIOS AG)
Die IG Metall hat eine Erhöhung der Entgelte um sieben Prozent für eine Laufzeit von zwölf Monaten gefordert. Aber…
- …eine auch nur annähernde Umsetzung dieser Forderung ginge weit über die aktuelle Leistungsfähigkeit vieler Unternehmen hinaus und würde so Arbeitsplätze gefährden.
Die IG Metall begründet die Forderung damit, dass die Beschäftigten aufgrund der hohen Inflation in den letzten beiden Jahren Einbußen hinnehmen mussten und sie deshalb jetzt einen Ausgleich benötigen. Aber……
- …die M+E-Tarifentgelte sind über sehr lange Zeit hinweg viel kräftiger gestiegen als die Preise. Die Beschäftigten haben also von einem deutlichen Reallohnplus und mehr Kaufkraft profitiert. Durch die Preissteigerungen 2022/23 haben die Beschäftigten zwar Einbußen hinnehmen müssen (wie die Firmen seit Corona, Ukraine-Krieg und Energiepreisschock auch), doch betrachtet man einen Zeitraum von 10 oder 20 Jahren, steht da immer noch ein dickes Plus. Es gibt also keinen Grund für einen Ausgleich.
Die IG Metall behauptet, mit kräftigen Lohnerhöhungen könne die Binnennachfrage angeregt und so die Konjunktur angekurbelt werden. Aber…
- …zum einen fehlt es gerade den Tarifbeschäftigten in der M+E-Industrie nicht an verfügbarem Einkommen. So verdienen die Beschäftigten in den tarifgebundenen M+E-Betrieben in Baden-Württemberg im Durchschnitt mittlerweile mehr als 81.000 Euro im Jahr – ein Spitzenwert bundesweit, aber auch international nahezu konkurrenzlos. Zudem werden sehr viele Produkte, die die M+E-Firmen produzieren, gar nicht von privaten Konsumenten, sondern von anderen Unternehmen gekauft. Da hilft auch eine stärkere private Nachfrage nicht.
Die IG Metall zieht zur Begründung auch eine angeblich steigende Trendproduktivität heran: Werden die Betriebe effizienter und produktiver, können sie günstiger produzieren und einen Teil dieser Einsparungen an die Beschäftigten weitergeben. Aber…
- …die gesamtwirtschaftliche Produktivität ist zuletzt gar nicht mehr gestiegen, sondern sogar gesunken. Es wurde also mit mehr Arbeitsstunden weniger produziert oder an Dienstleistungen erbracht. In der M+E-Industrie fiel der Rückgang besonders kräftig aus, hier ist die Produktion damit noch teurer geworden – also auch kein Argument dafür, dass es viel zu verteilen gibt.
Die IG Metall fordert zudem eine ‚soziale Komponente‘. Das heißt, die unteren Entgeltgruppen sollen von einer stärkeren Erhöhung überproportional profitieren. Aber…
- …dies würde ausgerechnet die einfacheren Tätigkeiten in der M+E-Industrie überproportional verteuern. Gerade diese Tätigkeiten sind aber im internationalen Wettbewerb in Deutschland viel zu teuer und sind daher bei einer möglichen Verlagerung besonders gefährdet. Die Gewerkschaft setzt also diese Arbeitsplätze mit ihrer Forderung zusätzlich unter Druck.
Die Gewerkschaft will auch, dass die Vergütung von Azubis und dual Studierenden pauschal um 170 Euro pro Monat angehoben wird. Aber…
- …es liegt zwar auch im Interesse der Betriebe, die Ausbildung in der M+E-Industrie bei der Vergütung attraktiv zu gestalten. Doch mit mehr als 1.100 Euro schon im ersten Jahr liegen die M+E-Azubis, gerechnet auf die Arbeitszeit von 35 Stunden, im Vergleich zu anderen Branchen bereits heute mit an der Spitze. 170 Euro obendrauf wären noch mal 15 Prozent mehr. Das würde es vielen Betrieben nicht gerade erleichtern, mehr Ausbildungsplätze anzubieten, und ausgerechnet die Betriebe, die sehr viel ausbilden, würden nochmal zusätzlich belastet.
Herausforderungen für die Automobilindustrie
Sabine Kohleisen (Vorstandsmitglied, Personal- und Arbeitsdirektorin Mercedes-Benz Group AG)
Herausforderungen für globale Unternehmen
Stefan Grosch (Geschäftsführer und Arbeitsdirektor Robert Bosch GmbH)