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Den Ernst der Lage
beantwortet man nicht mit
überzogenen Forderungen.

Die Forderung

Die IG Metall hat in dieser Tarifrunde eine Erhöhung der Entgelte von sieben Prozent für die Laufzeit von zwölf Monaten gefordert. Dies ist die dritthöchste Forderung der letzten 30 Jahre – trotz einer erwiesenermaßen ausgesprochen schlechten wirtschaftlichen Lage, die zudem noch von technologischen Umbrüchen und einer strukturellen Krise überlagert wird. Weiter fordert die Gewerkschaft eine sogenannte „soziale Komponente“, d.h., eine stärkere Tariferhöhung für die unteren Entgeltgruppen, sowie eine einmalige Anhebung der Vergütungen von Auszubildenden und dual Studierenden in Höhe von 170 Euro pro Monat.

Die Lage

Die Arbeitgeberseite hat früh deutlich gemacht, dass eine auch nur annähernde Umsetzung der Forderung weit über die aktuelle Leistungsfähigkeit vieler Unternehmen hinausgehen und so Arbeitsplätze gefährden würde. Viele Unternehmen der baden-württembergischen M+E-Industrie sehen derzeit aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage, der Herausforderungen durch die Transformation, der mangelhaften Standortbedingungen und der strukturellen Wettbewerbs- und Kostensituation eigentlich gar keinen Spielraum für Lohnerhöhungen in der anstehenden Tarifrunde.

Herausforderungen in der aktuellen Tarifrunde

Martin Holder (Mitglied des Vorstands WAFIOS AG)

Das Angebot

Trotz der kritischen Gesamtsituation haben die M+E-Arbeitgeberverbände, darunter Südwestmetall in Baden-Württemberg, der IG Metall am 15. Oktober ein Angebot unterbreitet, das auch eine Erhöhung der Tarifentgelte vorsieht. Mit diesem großen Schritt wollen die M+E-Arbeitgeber den Grundstein für eine rasche Einigung in dieser Tarifrunde legen. Zudem senden sie das Signal an Unternehmen, Beschäftigte und Öffentlichkeit, dass die Tarifpartner auch unter extrem schwierigen Bedingungen zu gemeinsamen Lösungen bereit und in der Lage sind.

Konkret schlagen die Arbeitgeber vor:

  • eine Erhöhung der Tarifentgelte um insgesamt 3,6 Prozent in zwei Stufen (1,7 Prozent zum 1. Juli 2025, 1,9 Prozent zum 1. Juli 2026)
  • eine lange Laufzeit von 27 Monaten (bis zum 31. Dezember 2026)
  • die Bereitschaft, über eine einmalige überproportionale Anhebung der Azubi-Vergütungen zu sprechen.

Damit liegt schon die erste Stufe der Entgelterhöhung über der aktuellen Inflation von 1,6 Prozent und trägt so dazu bei, die Einkommen der Beschäftigten zu sichern. Südwestmetall-Verhandlungsführer Dr. Harald Marquardt bezeichnet das Entgegenkommen der Arbeitgeberseite auch als Zeichen der Wertschätzung für den Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Betrieben. Die lange Laufzeit gibt zudem Unternehmen und Beschäftigten Planungssicherheit und Stabilität in einem äußerst volatilen Umfeld.

Dieses Angebot ist zwingend verknüpft mit tariflichen Entlastungsmöglichkeiten für Betriebe, denen es derzeit nicht gut geht und für die eine solche Tariferhöhung eine Überforderung darstellen würde. Konkret fordern die Arbeitgeber eine dauerhafte tarifliche Verankerung der sogenannten automatischen Differenzierung, wonach Betriebe, abhängig von definierten Kennzahlen, tarifliche Entgeltelemente verschieben oder kürzen können – und das in einem größeren Umfang, als dies bisher genutzt wurde.

Fakten

Die weitergehenden Forderungen der IG Metall lehnen die M+E-Arbeitgeber weiterhin ab – auch, weil sie die Begründungen der Gewerkschaft für nicht stichhaltig halten.

So begründet die IG Metall ihre Forderung damit, dass die Beschäftigten aufgrund der hohen Inflation in den letzten beiden Jahren Einbußen hinnehmen mussten und sie deshalb jetzt einen Ausgleich benötigen. Aber…

  • …die M+E-Tarifentgelte sind über sehr lange Zeit hinweg viel kräftiger gestiegen als die Preise. Die Beschäftigten haben also von einem deutlichen Reallohnplus und mehr Kaufkraft profitiert. Durch die Preissteigerungen 2022/23 haben die Beschäftigten zwar Einbußen hinnehmen müssen (wie die Firmen seit Corona, Ukraine-Krieg und Energiepreisschock auch), doch betrachtet man einen Zeitraum von 10 oder 20 Jahren, steht da immer noch ein dickes Plus. Es gibt also keinen Grund für einen Ausgleich.

Die IG Metall behauptet, mit kräftigen Lohnerhöhungen könne die Binnennachfrage angeregt und so die Konjunktur angekurbelt werden. Aber…

  • …zum einen fehlt es gerade den Tarifbeschäftigten in der M+E-Industrie nicht an verfügbarem Einkommen. So verdienen die Beschäftigten in den tarifgebundenen M+E-Betrieben in Baden-Württemberg im Durchschnitt mittlerweile mehr als 81.000 Euro im Jahr – ein Spitzenwert bundesweit, aber auch international nahezu konkurrenzlos. Zudem werden sehr viele Produkte, die die M+E-Firmen produzieren, gar nicht von privaten Konsumenten, sondern von anderen Unternehmen gekauft. Da hilft auch eine stärkere private Nachfrage nicht.

Die IG Metall zieht zur Begründung auch eine angeblich steigende Trendproduktivität heran: Werden die Betriebe effizienter und produktiver, können sie günstiger produzieren und einen Teil dieser Einsparungen an die Beschäftigten weitergeben. Aber…

  • …die gesamtwirtschaftliche Produktivität ist zuletzt gar nicht mehr gestiegen, sondern sogar gesunken. Es wurde also mit mehr Arbeitsstunden weniger produziert oder an Dienstleistungen erbracht. In der M+E-Industrie fiel der Rückgang besonders kräftig aus, hier ist die Produktion damit noch teurer geworden – also auch kein Argument dafür, dass es viel zu verteilen gibt.

Die IG Metall hält die Entgelte der Beschäftigten für nicht so relevant für die Gesamtkosten der Unternehmen. So spricht sie von einer Lohnquote von lediglich 16 Prozent, so dass eine Tariferhöhung von sieben Prozent lediglich mit einem Prozent an den Gesamtkosten zu Buche schlagen würde. Aber…

  • tatsächlich liegen die Personalkosten inklusive aller Nebenkosten und den Löhnen, die in den zugelieferten Vorprodukten stecken, in der gesamten M+E-Industrie bei mehr als 30 Prozent. In einigen Branchen liegen sie bei KMU teilweise sogar bei 50 Prozent. Tariferhöhungen haben dadurch eine erhebliche Auswirkung auf die Gesamtkosten, die Personalkosten sind also sehr wohl ein maßgeblicher Faktor. Zudem lag der Anteil der Personalkosten an der Brutto-Wertschöpfung im ersten Halbjahr 2024 bei knapp 80 Prozent. Aus dem Rest müssen Abschreibungen, Zinsen und Neuinvestitionen finanziert werden. Das heißt also, ein weiterer Anstieg der Personalkosten engt ganz unmittelbar den Spielraum der Firmen ein, Investitionen in die Zukunft und die Sicherung der Arbeitsplätze zu tätigen.

Die geforderte ‚soziale Komponente‘ begründet die IG Metall damit, dass insbesondere die unteren Einkommen unter der Inflation der letzten Jahre gelitten haben. Aber…

  • …dies würde ausgerechnet die einfacheren Tätigkeiten in der M+E-Industrie überproportional verteuern. Gerade diese Tätigkeiten sind aber im internationalen Wettbewerb in Deutschland viel zu teuer und sind daher bei einer möglichen Verlagerung besonders gefährdet. Die Gewerkschaft setzt also diese Arbeitsplätze mit ihrer Forderung zusätzlich unter Druck.

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